Keiner ist vergessen!

Das stationäre Johannes-Hospiz hat viele geliebte Traditionen, eine davon ist das Erinnerungsbuch im Andachtsraum. Zum Gedächtnis an ihre Zeit im Hospiz wird jede Bewohnerin und jeder Bewohner nach dem Tod dort eingetragen. Ich schreibe und betreue dieses Buch jetzt bereits in der vierten Generation, denn diese Tradition existiert seit Eröffnung unseres Hauses im August 1999.

Von meinen Vorgängerinnen habe ich das Format übernommen, und mittlerweile sind unsere Erinnerungen auf stolze 17 Bücher angewachsen. Alle haben ihren Platz in einem Regal im Andachtsraum. Das aktuelle Buch liegt immer offen auf einem Pult zur Ansicht.

Mit der Einladung zum Gedenkgottesdienst bitten wir die Angehörigen, uns auch ein Bild vom Verstorbenen zukommen zu lassen. So können sie der Eintragung ein Gesicht geben. Oft überrascht mich ein Foto, denn selten deckt sich das Bild beim ersten Hinschauen mit meinen persönlichen Erinnerungen. Beim zweiten Blick erkenne ich dann den Menschen wieder, den wir für eine kurze und meistens intensive Zeit betreut haben. Dabei wird mir bewusst, dass wir in der Begleitung unserer Bewohner teilhaben an eine der sensibelsten Phase im Lebens. Auch mein Vater ist 2009 hier im Hospiz verstorben. Wenn mir danach ist, setze ich mich in den Andachtsraum und schaue mir seine Eintragung mit dem Foto an, das meine Mutter am Gedenkgottesdienst abgegeben hat. Und freue mich, denn keiner wird vergessen.

 

Angelina Verhorst
Diplom Pflegewissenschaftlerin, Fachkrankenpflegerin für Palliative Care im Johannes-Hospiz